Skrupellos in Amerika

So skrupellos kann USA sein: Wie frei ist man in Amerika?

Was Einträge und Arbeit mit Freiheit in Amerika wirklich zu tun haben

Dr. William Sen / LebenUSA

von Dr. William Sen (aka Bill von LebenUSA)

Die Vereinigten Staaten präsentieren sich gerne als Land der Chancen – doch in der Realität lauern viele systemische Fallstricke. Wer einmal mit dem Rechtssystem oder dem Arbeitsmarkt in Berührung kommt, merkt schnell, wie unerbittlich, teuer und oft ungerecht die Spielregeln sind. Zwei Beispiele zeigen besonders deutlich, wie skrupellos das amerikanische System sein kann – wenn man es aus der Nähe erlebt.

Eintrag fürs Leben: Das Strafregister als lebenslange Hypothek

Einmal verhaftet, für immer verdächtig – das ist in vielen Teilen der USA bittere Realität. Während in Ländern wie Deutschland Einträge im Strafregister nach bestimmten Fristen automatisch gelöscht werden, kennt das US-System keinen solchen Automatismus. Selbst ein harmloser Polizeikontakt ohne Anklage oder Urteil kann ein Leben lang Folgen haben.

Ein besonders absurder Fall: Ein älterer Mann aus Florida wurde verhaftet, weil ein mobiler Drogentest angeblich Amphetamine in seinem Auto nachgewiesen hatte. Später stellte sich heraus: Es war die Zuckerglasur eines Krispy-Kreme-Donuts. Der Mann wurde freigelassen – doch im Polizeisystem blieb ein Eintrag: “Verhaftung wegen Drogenbesitz”. Für viele Arbeitgeber reicht das, um Bewerber dauerhaft auszuschließen.

Die mobilen Tests der Polizei sind notorisch unzuverlässig. Studien zeigten, dass unter anderem Tortilla-Mehl, Eukalyptus-Bonbons, Billiardkreide und eben Donut-Glasur fälschlich als Drogen erkannt werden. Und dennoch wird auf deren Basis verhaftet – mit allen Konsequenzen.

 

Löschen gegen Geld – und gegen jede Logik

Ein solcher Eintrag kann nur durch ein gerichtliches Verfahren gelöscht werden – und das kostet. In vielen Städten verlangen Anwälte dafür sogenannte “Retainer”-Gebühren von 5.000 bis 6.000 Dollar. Selbst wenn der Eintrag gelöscht ist, bleibt ein Vermerk im System sichtbar: “GELÖSCHT”. Was dahinterstand, bleibt dem Betrachter verborgen – was neue Fragen aufwirft.

Ein Freund von mir hatte als Teenager eine harmlose Auseinandersetzung auf der Straße, wurde aber verhaftet. Obwohl er sofort freigesprochen wurde, stand der Eintrag im System. Später bewarb er sich für Regierungsjobs – und wurde regelmäßig abgelehnt. Seine Erklärung: “Wenn da ‘gelöscht’ steht, wollen alle wissen, was es war. Das wirkt verdächtiger als ein kleiner Vorfall, den man offen erklären kann.” Erst Jahrzehnte später bekam er eine Anstellung – aber nicht, weil das System ihn rehabilitierte, sondern weil ein Interviewer ihm eine Chance gab.

 

Systemfehler mit Geschäftspotenzial: Die Social-Media-Verhaftungsmasche

Das skurrile Potenzial dieses Systems bleibt auch in den sozialen Medien nicht ungenutzt. Manche Influencer provozieren bewusst Polizeieinsätze, um Verhaftungen zu filmen und danach Schadensersatzklagen gegen Behörden anzustrengen. Das Ziel: Klicks, Aufmerksamkeit – und Geld.

Die Methode ist einfach: Cops mit der Kamera provozieren, möglichst aggressiv, manchmal mit Beleidigungen. Wenn die Polizei eingreift, landet das Material auf Social Media. Wird die Verhaftung später als unrechtmäßig beurteilt, gibt es Entschädigung – zwischen 20.000 und 50.000 Dollar sind keine Seltenheit.

Das System ist legal, aber moralisch fragwürdig. Viele dieser Influencer wurden in der Folge selbst verurteilt – wegen Störung der öffentlichen Ordnung oder illegaler Filmaufnahmen. Doch da diese Delikte meist gering bestraft werden, lohnt sich das Risiko: Vier gewonnene Klagen aus fünf Verhaftungen reichen aus, um am Ende mit Gewinn aus der Sache zu gehen. Strafregistereinträge? Kein Hindernis – sondern kalkulierter Kollateralschaden im Geschäftsmodell.

 

Work-Life-Balance auf Amerikanisch: Ein Marketingbegriff ohne Substanz

“Work-Life-Balance” ist ein Begriff, der seinen Ursprung in den USA hat – dort aber eine ganz andere Bedeutung besitzt als etwa in Deutschland. Während in Europa zunehmend Wert auf geregelte Arbeitszeiten, Urlaub und Erholung gelegt wird, galt in den USA jahrzehntelang: Arbeit ist das Leben.

In den 90ern waren 80-Stunden-Wochen keine Ausnahme, sondern Norm. Ein Freund von mir arbeitete im Einzelhandel täglich von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends – ohne Urlaub, ohne Krankenversicherung, mit einem freien Tag im Monat. Das galt als “guter Job”.

Supermärkte öffneten 24 Stunden, auch sonntags – weil viele schlicht keine andere Zeit hatten, um einzukaufen. Das Private existierte nur noch als logistisches Problem, das sich um die Arbeit herum organisieren musste.

 

Von 80 auf 50 Stunden: Der große Fortschritt?

In den letzten Jahren hat sich tatsächlich etwas verändert. 50-Stunden-Wochen gelten inzwischen als “Work-Life-Balance”, ein freier Tag pro Woche wird vielerorts vorausgesetzt. Manche Unternehmen bieten zehn Urlaubstage im Jahr. In vielen Fällen sind Arbeitnehmer inzwischen krankenversichert und dürfen sogar bis zu fünf Tage krank sein, ohne den Lohn zu verlieren.

Aber das bedeutet keineswegs, dass die Arbeit aus dem Privatleben verschwunden wäre. Im Gegenteil: Die ständige Erreichbarkeit ist selbstverständlich. Wer abends oder am Wochenende nicht antwortet, fällt negativ auf. Vorgesetzte müssen explizit darum bitten, Aufgaben “erst am Montag” zu bearbeiten – sonst wird sofort geliefert.

 

Ein Begriff wird zum Etikettenschwindel

Viele Unternehmen bewerben sich mit großzügiger “Work-Life-Balance” – und installieren dafür Waschmaschinen, Schlafräume, Kinos oder Fitnessstudios am Arbeitsplatz. Der Gedanke dahinter: Wer sich wohlfühlt, bleibt länger. Nicht selten wird damit bezweckt, dass Mitarbeitende das Büro gar nicht mehr verlassen.

Ich persönlich halte das für absurd. Ich will meine Wäsche nicht auf der Arbeit waschen oder zwischen Meetings ein Nickerchen machen. Ich will Feierabend. Aber genau das scheint im amerikanischen System schwer zu begreifen.

 

Kalifornien: Freigeist mit Kündigung auf Knopfdruck

Kalifornien wird oft als fortschrittlich und arbeitnehmerfreundlich dargestellt – das ist in weiten Teilen reine PR. In jedem Arbeitsvertrag steht: “Termination at will”. Das heißt: Man kann jederzeit ohne Grund entlassen werden – ohne Vorwarnung, ohne Kündigungsfrist.

Wer sich gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen wehren will, hat es schwer. In der US-Kultur gilt: Wer klagt, ist ein “Verlierer”, wer sich beschwert, ein Faulpelz. Jurys bestehen aus Menschen, die selbst am Limit arbeiten – und wenig Verständnis für Kläger aufbringen. Wer seinen Arbeitgeber verklagt, verliert oft nicht nur den Prozess, sondern auch jeglichen Rückhalt im Arbeitsmarkt.

 

Ein System der Härte, das Leistung über Menschlichkeit stellt

Die USA haben ein tief in ihrer Kultur verankertes Leistungsideal: Wer arbeitet, ist wertvoll. Wer scheitert, hat sich nicht genug angestrengt. Der Einzelne ist Konkurrent – nicht Kollege. Solidarität ist ein Fremdwort, Individualismus die oberste Tugend.

Die zwei Beispiele – Strafregister und Arbeitskultur – zeigen auf erschreckende Weise, wie systematisch Härte institutionalisiert wird. Es geht nicht um Gerechtigkeit oder Menschlichkeit, sondern um Effizienz, Kontrolle und Verwertung. Wer das System durchschaut, kann sich anpassen – oder daran zerbrechen.

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