Deutsche Tugenden in den USA

Deutsche Tugenden, die in den USA helfen

Mit deutschem "Kartoffel"-Kopf durch Amerika

Dr. William Sen / LebenUSA

von Dr. William Sen (aka Bill von LebenUSA)

Als Deutscher, der in den USA lebt, erlebe ich oft Situationen, in denen ich dank meiner deutschen Erziehung besser klarkomme als viele meiner amerikanischen Freunde. Heute möchte ich auf zehn typisch deutsche Tugenden eingehen, die mir in Amerika helfen, erfolgreicher zu sein und meinen Alltag besser zu gestalten.

Sparsamkeit: Ein deutscher Schutz gegen amerikanische Abzocke

Ich möchte euch heute eine Geschichte erzählen, die mir deutlich gezeigt hat, warum Sparsamkeit – eine Tugend, die man Deutschen gerne nachsagt – in den USA nicht nur hilfreich, sondern dringend nötig ist. Denn was hier manchmal mit Autokäufern veranstaltet wird, grenzt schon fast an Betrug, mindestens aber an eine absurde Komödie.

Ein Freund von mir hat sich kürzlich ein neues Auto gekauft. Keine Luxusmarke, sondern eine völlig normale Marke, die man an jeder Ecke sieht – nichts Außergewöhnliches also. Doch er ließ sich alle möglichen Extras aufschwatzen: Schiebedach, Ledersitze und ein dubioses Innenlicht-Ambiente, bei dem das Innere aussieht wie eine Bar im Rotlichtmilieu. Dazu noch besondere Designfelgen im Sport-Look. Alles zusammen ergab inklusive Steuern und Gebühren einen Gesamtpreis von fast 50.000 Dollar.

Ehrlich gesagt war ich zunächst sprachlos. “Wow, 50.000 Dollar?”, fragte ich ihn überrascht. Denn für diesen Betrag hätte ich persönlich niemals ein gewöhnliches Serienauto gekauft. Für diesen Preis bekäme ich schon problemlos ein Fahrzeug der Luxusklasse, etwa von Mercedes, BMW, Audi oder Cadillac. Aber gut, dachte ich mir, lassen wir das mal außen vor.

Mein Freund jedoch war total stolz auf seinen Kauf und sagte begeistert: “Ich habe den besten Deal überhaupt gemacht. Ich zahle nur 200 Dollar im Monat!”

Sofort meldete sich mein kritischer deutscher Verstand. “Wie hoch ist denn die Zinsrate?”, fragte ich skeptisch, denn aktuell liegt der durchschnittliche Zinssatz in Kalifornien bei 6 bis 7 Prozent. Mein Freund strahlte und erklärte stolz, dass er einen Zinssatz unter dem Marktniveau erhalten hätte, nämlich nur 5 Prozent. Angeblich sei genau das der Grund gewesen, warum er bei diesem Händler gekauft habe.

Um das klarzustellen: Er hatte sich also ein Auto im Wert von 50.000 Dollar gekauft, sollte aber bei nur 200 Dollar monatlicher Rate lediglich 5 Prozent Zinsen zahlen. Meine erste Reaktion war ein ironisches Händereiben. Denn mathematisch betrachtet ergibt das überhaupt keinen Sinn:

Wenn du ein Darlehen über 50.000 Dollar mit einer jährlichen Verzinsung von 5 Prozent aufnimmst, bedeutet das 2.500 Dollar Zinsen pro Jahr, also ungefähr 208 Dollar Zinsen im Monat. Bei nur 200 Dollar monatlicher Zahlung würde er also nicht einmal die anfallenden Zinsen abdecken. Das bedeutet konkret: Die Schulden würden jedes Jahr steigen statt abnehmen – ein Zustand, den man “Negative Amortisation” nennt. In diesem Szenario würde mein Freund also jedes Jahr mehr Geld schulden als im Jahr zuvor. Im ersten Jahr wären es 50.000 Dollar, im nächsten schon 50.100 Dollar und so weiter.

Nach einer kurzen Werbeunterbrechung offenbarte sich die Wahrheit, die mir mein Freund auf seinem Handy zeigte – und jetzt wird es wirklich bizarr:

Tatsächlich stand in seinem Vertrag eine Verzinsung von 8 Prozent. Er zahlte nicht 200 Dollar, sondern 450 Dollar monatlich. Wie das möglich war? Ganz einfach: Das Autohaus hatte extrem geschickt formuliert. In großen, gut sichtbaren Zahlen stand da “5 Prozent Zinssatz”, daneben in kaum lesbarer Schrift: “plus 3 Prozent gesetzmäßige zusätzliche Anpassung zur Vermeidung eines negativen Zinssatzes” (“Negative Equity Adjustment Interest Rate in Compliance with California Law”). Groß geschrieben war auch der Betrag von 200 Dollar, klein daneben jedoch der Zusatz “plus 150 Dollar”.

In seinem Kopf war hängen geblieben, dass er monatlich nur 200 Dollar zahlt, und er hatte die zusätzlichen 150 Dollar als eine Art gesetzliche Gebühren oder Steuern verstanden. Tatsächlich waren das jedoch keine Gebühren, sondern die eigentliche monatliche Tilgung des Kredits.

Bei 450 Dollar monatlicher Zahlung und 8 Prozent Zinsen ist die Tilgung des Kredits allerdings immer noch minimal. Konkret bedeutet das: Mein Freund wird 17 Jahre lang jeden Monat 450 Dollar zahlen müssen und hat am Ende für ein Auto, das ursprünglich 50.000 Dollar kostete, über 90.000 Dollar bezahlt. Ein finanzielles Desaster also und erheblich teurer, als wenn er das Auto geleast oder gemietet hätte. Eine totale Katastrophe meiner Meinung nach.

Solche irrsinnigen Verträge funktionieren offenbar besonders gut mit amerikanischen Kunden, die sich häufig allein durch niedrige monatliche Raten blenden lassen. Jeder, der in einem deutschsprachigen Umfeld aufgewachsen ist und mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit rechnet und prüft, wäre auf diesen Trick niemals hereingefallen.

Diese Episode zeigt mir deutlich, warum es manchmal eben nicht nur hilft, einen “kühlen Kopf” zu bewahren, sondern warum es in den USA oft nötig ist, einen echten “deutschen Kopf” einzusetzen: Genau hinschauen, Verträge gründlich lesen und nachrechnen – eine Tugend, die hier geradezu überlebenswichtig sein kann.

 

Energiesparen: Mehr als nur Umweltschutz

Als ich mein Haus in den USA übernommen habe, traf mich zunächst einmal fast der Schlag. Denn im ganzen Haus – selbst im Hof und vor der Haustür – gab es ausschließlich klassische, energiefressende Glühbirnen. Nicht eine einzige Energiesparlampe! Und das in einem Land, in dem Strom alles andere als günstig ist.

In den USA ist es üblich, dass der neue Bewohner eine vollständig ausgestattete Wohnung oder ein komplett möbliertes Haus übernimmt. Das ist in Deutschland anders: Als ich dort meine Mietwohnung bezog, gab es nicht einmal eine einfache Deckenlampe. Von Glühbirnen ganz zu schweigen – sogar die Lampenschirme hatten die Vormieter noch mitgenommen. An der Decke hing nur ein trauriger kleiner Kabelstummel. Auch die Küche war komplett leer: Kein Kühlschrank, keine Schränke, rein gar nichts.

In den USA wäre es unvorstellbar, eine Wohnung oder ein Haus auf diese Weise zu übernehmen. Hier erwartet man nicht nur Lampen an der Decke, sondern eine voll ausgestattete Küche mit Kühlschrank, Schränken und Arbeitsflächen. All das ist normalerweise bereits im Miet- oder Kaufpreis enthalten.

Jedenfalls bin ich direkt losgezogen und habe sämtliche dieser altmodischen Glühbirnen gegen energiesparende Lampen ausgetauscht. Der typische Amerikaner hingegen macht sich über Energiesparen kaum Gedanken. Wenn eine Birne kaputtgeht, greift er einfach zu der nächstbesten, die er in der Schublade findet – meistens wieder eine dieser energiehungrigen Glühbirnen.

Besonders kurios fand ich, dass mir der vorherige Eigentürmer in der Garage sogar noch einen riesigen Vorrat an diesen 100-Watt-Stromfressern hinterlassen hatte. Ein klarer Beweis, wie selbstverständlich Amerikaner diesen enormen Energieverbrauch hinnehmen, ohne groß darüber nachzudenken.

Dabei geht es beim Thema Energiesparen nicht nur um Umweltschutz – es geht auch um bares Geld. In Kalifornien, wo ich lebe, zahlt man derzeit rund 44 Cent pro Kilowattstunde. Rein rechnerisch kommt man für nur fünf 100-Watt-Glühbirnen, die das ganze Jahr hindurch laufen, auf Stromkosten von fast 2.000 Euro jährlich.

Als typischer deutscher “Kartoffelkopf” habe ich das natürlich sofort nachgerechnet. Indem ich die gleichen Glühbirnen durch Energiesparlampen mit nur 15 Watt ersetzt habe, senkte ich die jährlichen Stromkosten auf etwa 290 Euro. Das entspricht einer Ersparnis von 1.710 Euro pro Jahr! Eine gewaltige Summe, die Amerikaner offenbar nicht sonderlich beeindruckt – oder sie rechnen es schlichtweg nicht nach.

Natürlich verstehe ich die amerikanische Einstellung, nicht jeden Cent umzudrehen und das Leben eher zu genießen. Aber beim Austausch einiger Glühbirnen, der kaum Zeit oder Mühe kostet, von Geiz oder übertriebener Sparsamkeit zu sprechen, wäre doch albern. Es ist einfach gesunder Menschenverstand.

Wie seht ihr das? Ist es pingelig oder vernünftig, sich Gedanken über so etwas zu machen? Ich jedenfalls finde, dass hier ein bisschen deutsche Tugend, sprich: bewusstes Energiesparen, durchaus angebracht ist – gerade weil es weder anstrengend noch kompliziert ist.

 

Kritisches Denken gegenüber Werbung

Amerikaner lieben Werbung – besonders, wenn berühmte Stars involviert sind. Eine erfolgreiche Werbung bedeutet hier oft automatisch, dass ein Produkt als gesund und empfehlenswert gilt. Skepsis gegenüber den tatsächlichen Absichten der Unternehmen fehlt nahezu völlig.

Während der Amerikaner denkt: “Tom Cruise wirbt für diese Pillen – die kaufe ich!”, bleibt mir dank meiner deutschen Erziehung immer bewusst: Hier geht es nur ums Geld. Das schützt mich davor, auf Marketingtricks hereinzufallen. Etwas Skepsis hilft dabei ungemein, nicht jedes überteuerte Produkt sofort zu kaufen.

 

Gesunde Ernährung: Selber kochen statt Fertigpizza

Kaum etwas schockiert mich in den USA so sehr wie die Ernährungsgewohnheiten meiner Freunde. Kochen bedeutet hier oft, Fertiggerichte in der Mikrowelle aufzuwärmen. Tiefkühlpizza, panierte Chicken-Nuggets oder fertig zubereitete Hamburger dominieren viele Haushalte.

In meinem Gefrierschrank dagegen bewahre ich selbst gekochtes Essen auf. Frisch gekocht, ohne künstliche Zusatzstoffe, gesünder und letztlich günstiger. Diese Tugend der deutschen Küche – bewusstes Essen selbst zuzubereiten – macht einen erheblichen Unterschied für meine Lebensqualität.

 

Deutsche Tugenden, die in Amerika nicht helfen

Doch nicht alle deutschen Tugenden sind in den USA gleichermaßen hilfreich. Planung beispielsweise kann spontane soziale Aktivitäten erschweren. Amerikanische Freunde lieben es, spontan zu entscheiden, und erwarten nicht, dass alles perfekt vorausgeplant ist.

Auch die deutsche Tendenz, ständig Recht haben zu wollen, bringt hier nicht viel. Amerikaner verzichten oft bewusst auf ihr Recht, etwa im Straßenverkehr, um unkompliziert und freundlich zu bleiben. Das sorgt für eine entspanntere Atmosphäre – eine Tugend, von der wir Deutsche lernen können.

 

Der goldene Mittelweg

Es zeigt sich: Deutsche Tugenden wie Sparsamkeit, kritisches Denken und eine gesunde Ernährung sind in den USA äußerst nützlich. Sie schützen vor finanziellen Fehlern, schlechten Kaufentscheidungen und ungesundem Lebensstil. Gleichzeitig lohnt es sich, von amerikanischer Lockerheit und Flexibilität zu lernen.

Die Mischung macht’s also. Ein bisschen deutscher “Kartoffelkopf” gepaart mit amerikanischer Leichtigkeit – vielleicht ist genau das der ideale Weg, um erfolgreich und zufrieden in den USA zu leben.

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