
von Dr. William Sen (aka Bill von LebenUSA)
Ich selbst, als Deutscher, der schon lange in den USA lebt, war überrascht, als mir amerikanische Freunde plötzlich erzählten, Deutschland stehe nicht mehr wie früher für hohe Qualität. Diese Beobachtung ließ mich aufhorchen: War das Zufall, oder steckt dahinter eine systematische Veränderung?
Von der Straßenumfrage zur ernsthaften Recherche
Statt oberflächlicher Straßenumfragen wollte ich tiefer graben. Oberflächliche Meinungen zeigen oft verzerrte Bilder. Um fundierte Antworten zu erhalten, habe ich mir angesehen, was Investoren und Wirtschaftsentscheider wirklich denken – Menschen, deren Urteile auf Zahlen, Fakten und echten wirtschaftlichen Interessen basieren.
Amerikaner sind praktisch veranlagt, insbesondere wenn es um Investitionen geht. Ihre Meinung über Länder wie Deutschland ist stark von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig. Kulturelle Errungenschaften und historische Bedeutung treten deutlich in den Hintergrund, sobald die Wirtschaft schwächelt. Oder einfacher gesagt: Für Amerikaner bedeutet wirtschaftlicher Erfolg gleich Anerkennung, wirtschaftlicher Misserfolg gleich Versagen.
Qualitätsverlust bei deutschen Produkten?
Ein entscheidender Faktor, der in den USA mittlerweile kritisch gesehen wird, ist der vermeintliche Qualitätsverlust deutscher Waren. Ein konkretes Beispiel dafür ist WMF, einst ein angesehenes deutsches Unternehmen. Heutzutage empfinden viele Deutsche sogar, mich eingeschlossen, WMF-Produkte als überteuert und qualitativ minderwertig im Vergleich zu früheren Zeiten.
Ähnliches gilt für die deutsche Schokoladenindustrie, die für mich als Kind der 80er-Jahre noch Inbegriff höchster Qualität war. Marken wie Lindt, Ritter Sport oder Toffifee sind inzwischen eher enttäuschend.
Statt echter Kakaobutter werden heutzutage in der Schokoladenherstellung oft günstige Palmöle eingesetzt, minderwertige Kakaosorten dominieren, und der Geschmack leidet darunter erheblich. Aus Premium-Schokolade wird dadurch ein preisoptimiertes Produkt, was ich nicht mehr als Schokolade, sondern als “Schrottolade” bezeichne.
Kritikpunkt Nummer eins: Fehlende wirtschaftliche Vision
Abseits der Qualitätsdebatte bemängeln amerikanische Analysten und Investoren fehlende Visionen der deutschen Wirtschaftspolitik. Die Europäische Zentralbank (EZB) steht dabei besonders im Kreuzfeuer der Kritik – insbesondere aufgrund ihrer jahrelangen Niedrigzinspolitik. Obwohl die Zinsen nun gestiegen sind, habe dies laut amerikanischer Wirtschaftsmedien kaum positiven Einfluss auf den Konsum gehabt. Im Gegenteil: Private Ausgaben gehen zurück, und die deutsche Wirtschaft stagniert.
Zusätzlich wird kritisiert, dass Deutschland den Verlust günstiger russischer Gasimporte nicht kompensieren konnte, was die Industrie stark belastet. Langfristige politische Entscheidungen, etwa im Bereich der Energie- und Infrastrukturpolitik, gelten als zu zaghaft und wenig weitsichtig.
Und ich möchte an dieser Stelle betonen. Das alles ist nicht meine Meinung, sondern, was die amerikanischen Medien berichten.
Die Rolle der “Schuldenbremse”
Ein weiterer Kritikpunkt, der in amerikanischen Wirtschaftskreisen regelmäßig auftaucht, ist die deutsche “Schuldenbremse”. Sie wird von Analysten oft als ideologisch motiviert beschrieben, ohne klar erkennbare Wachstumsstrategie. Laut Kritikern der Citigroup bremst diese Politik das Wirtschaftswachstum und schreckt Investoren ab.
Das Ergebnis all dieser Faktoren: Ein stagnierendes Wirtschaftswachstum und eine sinkende Attraktivität Deutschlands als Standort für neue Unternehmensgründungen und internationale Investitionen.
Deutschland als negatives Vorbild
Der wirtschaftliche Stillstand und die wahrgenommenen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte führen inzwischen dazu, dass Deutschland in den USA immer öfter als negatives Vorbild präsentiert wird. Wenn amerikanische Politiker und Kommentatoren auf wirtschaftliche Probleme hinweisen wollen, dient Deutschland als abschreckendes Beispiel. Das schmerzt, gerade aus der Perspektive eines Deutschen in Amerika.
Sogar Gerüchte, Deutschland befände sich bereits in einem regelrechten Zusammenbruch, kursieren in Teilen der amerikanischen Bevölkerung – ein Missverständnis politischer Prozesse, aber symptomatisch für das verzerrte Bild, das aktuell entsteht.
Schlussfolgerung: Deutschland braucht positive Impulse
Deutschland steht heute in den USA nicht mehr bedingungslos für Spitzenqualität und wirtschaftlichen Erfolg. Um diesen negativen Trend umzukehren, braucht Deutschland dringend positive Schlagzeilen und wirtschaftliche Erfolge, die auch international sichtbar sind.
Für jemanden wie mich, der lange stolz auf das Ansehen Deutschlands im Ausland war, ist diese Entwicklung bedauerlich. Bleibt zu hoffen, dass Deutschland bald wieder eine klare wirtschaftliche Vision entwickelt, die Vertrauen schafft – nicht nur bei amerikanischen Investoren, sondern auch global.
Daher habe ich ja auch im Video meine Zuschauer gewarnt. Wenn das soweiter geht, behaupte nicht nicht mehr, dass ich Deutscher bin. Dann sage ich ab sofort nur noch “Ich bin Düsseldorfer!” – sorry, als Kölner konnte ich mir diesen Witz nicht verkneifen.
Quellen:
- bloomberg.com/news/newsletters/2024-08-28/germany-falling-into-crisis-as-berlin-suffers-vision-deficit
- bloomberg.com/news/articles/2024-07-28/germany-economy-olaf-scholz-is-failing-to-engineer-a-liftoff?embedded-checkout=true