
von Dr. William Sen (aka Bill von LebenUSA)
Seit 2015 habe ich Deutschland nicht mehr besucht, und ich bin gespannt, wie es sein wird, nach zehn Jahren erstmals wieder deutschen Boden zu betreten. Schon jetzt fällt mir aber deutlich auf, wie stark sich meine Sprache verändert hat, seit ich dauerhaft in San Diego, California, lebe. Gerade wir Deutschen übernehmen hier in Amerika automatisch zahlreiche englische Begriffe in unseren Alltag – mit teils sehr kuriosen Folgen.
“Sorry, go ahead” – Höflichkeit auf Englisch
Da ich hier in den USA auch deutschsprachige Kunden habe, kommt es in Gesprächen oft dazu, dass beide gleichzeitig reden. Deutsche Höflichkeit verlangt dann normalerweise Sätze wie “Oh, bitte sprechen Sie zuerst.” Ich jedoch sage inzwischen ganz automatisch “Sorry, go ahead”. Meist merke ich erst nachträglich, wie seltsam das klingt, und frage mich: “Ach Mensch, wat sachste da?” Doch zwei Minuten später passiert es erneut: “Please, go ahead!” Ich befürchte dann jedes Mal, mein Gegenüber könnte mich für komplett bescheuert halten.
“Wir brauchen Gas” – wenn Benzin zu “Gas” wird
Viele Deutsche hier sagen “Wir brauchen Gas”, wenn sie eigentlich meinen, dass das Benzin fast leer ist. In den USA heißt Benzin eben “Gas”, und wir übernehmen das gedankenlos – in der deutschen Aussprache. Dass wir ursprünglich “Benzin” dazu gesagt haben, vergessen wir offenbar sehr schnell.
Von “Organic” und “Bio-Lehrern”
Mir wurde erst kürzlich bewusst, dass man in Deutschland “Bio” sagt und nicht “Organic”. Bei meiner Recherche über deutsche Supermärkte bemerkte ich plötzlich wieder den Begriff “Bio”. Dabei erinnerte ich mich auch an meinen früheren “Bio-Lehrer”, der offenbar organischer Natur war. Allerdings vermute ich, dass viele meiner Lehrer generell keine Menschen waren, mein “Bio-Lehrer” besonders nicht – er tarnte sich einfach sehr gut!
“Fahr mal in die linke Lane” – Spurwechsel auf Amerikanisch
In den USA heißen Autospuren “Lanes”. Auch wir Deutsche hier übernehmen das direkt. Kürzlich sagte jemand zu mir: “Nach der Ampel fahr nach left.” Niemand im Auto lachte oder kommentierte das – inzwischen ist das völlig normal unter Deutschen hier.
“Danke, ich bin gut” – Bedürfnislos auf Deutsch
Im Englischen sagt man höflich “Thanks, I’m good”, wenn man nichts braucht. Inzwischen höre ich ständig Deutsche sagen: “Danke, ich bin gut”, wenn sie keinen Kaffee mehr möchten. Obwohl das natürlich falsch klingt, passiert es mir selbst ständig.
“Rente” oder “Miete”? – Verwirrung mit “Rent”
Ständig verwechsle ich inzwischen die Begriffe “Rente” und “Miete”. Ich fragte neulich einen Deutschen: “Was zahlst du an Rente?” Er antwortete problemlos: “2000 Dollar im Monat.” Natürlich meinte ich eigentlich die “Miete” (“Rent”), aber inzwischen fällt es niemandem mehr auf. Allerdings wäre “2000 Dollar” für eine Wohnung in San Diego inzwischen eher für eine kleine Kammer angemessen – doch das ist ein anderes Thema.
“Schau mal auf der Mappe nach!” – Deutsch-amerikanische Landkarten
Ich benutze ständig das Wort “Mappe”, wenn ich eigentlich “Landkarte” (“Map”) meine. Erst deutsche Besucher machten mich darauf aufmerksam, dass eine “Mappe” eigentlich ein Ordner für Papierkram ist. Den hier lebenden Deutschen fällt dieser Fehler nicht einmal mehr auf – für uns ist “Mappe” längst zur “Map” geworden.
Telefonnummern und das verschwundene “Handy”
Meine Rufnummer nenne ich inzwischen fast ausschließlich auf Englisch, etwa “six-one-nine” für die Vorwahl San Diegos. Wenn ich auf Deutsch danach gefragt werde, was selten passiert, bleibe ich trotzdem bei Englisch. Das Wort “Handy” benutze ich überhaupt nicht mehr – für mich ist das Gerät längst nur noch ein “Phone”. Denn in den USA bedeutet “handy” lediglich “praktisch” oder “nützlich”.
“Errands runnen” und andere sprachliche Mischungen
Neulich sagte ich tatsächlich: “Ich muss morgen ein paar Errands runnen.” Die deutsche Freundin antwortete ohne Zögern: “Oh ja, ich auch!” Diese Mischung fällt hier niemandem mehr auf, aber in Deutschland würde das sicher seltsam wirken. Auch gehe ich inzwischen “Grocery Shopping”, nicht mehr “in den Supermarkt”.
“AC” statt “Klimaanlage” – amerikanische Temperaturen
Deutsche hier sagen selten “Klimaanlage”. Fast alle sprechen nur noch von der “AC”. Anfangs war es mir zu kalt, mittlerweile drehe ich sie selbst herunter, sodass deutsche Besucher oft frösteln und klagen: “Habt ihr die Klimaanlage auf kalt gestellt?”
“Sharpie” statt “Edding” – Markierstifte wechseln Namen
Früher sagte ich “Edding”, wenn ich einen dicken schwarzen Stift brauchte. Hier heißt das “Sharpie”, und weil mich niemand verstand, wurde aus meinem Edding ein Sharpie. Ich könnte mir vorstellen, dass ich selbst in Deutschland “Sharpie” sagen würde.
“Autobahn Interstate 8” – doppelte Benennung
Manche Begriffe haben wir Deutschen kurioserweise beibehalten, etwa die “Autobahn”. So sagen viele “Fahr auf die Autobahn I8”, obwohl “I” bereits für “Interstate” steht – wir sagen somit doppelt “Autobahn”.
Dollar statt Euro – Währungschaos in Gesprächen
Beim Erzählen über Deutschland erwische ich mich oft dabei, Euro-Preise als Dollar zu nennen: “In Deutschland kostet Milch jetzt ein Dollar Zwanzig.” Selbst Deutsche, die gerade aus Deutschland zurückkehren, berichten oft: “Der Döner kostet jetzt schon acht Doollar.”
Blumenkohl, Chicken und andere Lebensmittel-Verwirrungen
Lebensmittel sprechen wir fast nur noch auf Englisch aus, da wir die Begriffe ständig in amerikanischen Supermärkten lesen: “Califlour” (Blumenkohl), “Almond Mehl” (Mandelmehl), “Chicken”, “Hash Browns”, “Tater Tots” – ich wüsste gar nicht, was das alles exakt auf Deutsch heißt.
Neue Begriffe, die es früher nicht gab
Durch mein Leben in den USA kenne ich inzwischen viele Begriffe zuerst auf Englisch. Wörter wie “Helicopter Parent”, politische Begriffe (“Impeachment”, “Inauguration”, “Executive Order”) oder juristische Fachwörter (“Subpoena”, “Affidavit”, “Indictment”) habe ich ausschließlich auf Englisch gelernt und wüsste oft keine passende deutsche Übersetzung mehr.
Neulich entstand folgender Satz: “Der Incumbent wird nach der Inauguration per Executive Order wegen Hush-Money durch ein Indictment und eine Subpoena zum Impeachment gezwungen.” Wie ich das auf Deutsch ausdrücken sollte, weiß ich kaum noch.
Mein Fazit – Sprache im Wandel
Mein langjähriges Leben in den USA verändert meine Sprache massiv. Diese kuriosen Sprachmischungen sind unter Deutschen hier inzwischen Alltag – in Deutschland jedoch sicher ein Grund zum Schmunzeln oder Kopfschütteln. Ich bin gespannt, wie es mir sprachlich ergehen wird, wenn ich nach zehn Jahren erstmals wieder in Deutschland bin. Bis dahin sage ich: “Habe einen großen Tag!”