
von Dr. William Sen (aka Bill von LebenUSA)
Ein Handelskrieg im Schatten der Interessenpolitik
Der globale Handelskrieg hat begonnen – und der Ausgangspunkt liegt, wenig überraschend, in den Vereinigten Staaten. Während die öffentliche Debatte sich vorrangig um Zölle, Preise und geopolitische Schuldzuweisungen dreht, bleiben die eigentlichen Hintergründe oft unerwähnt oder werden bewusst verschleiert. Hinter Trumps neuer Zollpolitik steckt weit mehr als wirtschaftlicher Protektionismus: Es ist ein Lehrstück in staatlich legitimierter Umverteilung – von unten nach oben, national wie international.
Wie Unternehmen die Inflation zur Gewinnmaximierung missbrauchten
Schon vor der Zollwelle war das Verhältnis zwischen Industrie und Konsumenten in den USA aus dem Gleichgewicht geraten. Während offiziell von einer Inflationsrate von rund sieben Prozent gesprochen wurde, nutzten US-Konzerne die allgemeine Inflationsangst gezielt aus, um Preise in absurder Höhe anzuheben – oft weit über den realen Kostensteigerungen.
Beispiele dafür gibt es zuhauf: Kraft Heinz steigerte seinen Gewinn zwischen 2022 und 2023 von 225 Millionen auf 887 Millionen Dollar – ein Wachstum von fast 450 Prozent. Coca-Cola erhöhte seine Preise sogar um mehr als 300 Prozent. Der Konsument reagierte nicht etwa mit Konsumverzicht, sondern blieb – durch Jahrzehnte des Konsumtrainings – erstaunlich loyal. Verschuldung wird in den USA seit jeher in Kauf genommen, solange der Lebensstandard aufrechterhalten werden kann.
Versagen der Politik: Das große Schweigen
Die politische Reaktion auf diese Entwicklung war weitgehend nicht existent. Die Biden-Regierung kündigte an, Maßnahmen gegen Preiswucher zu ergreifen – es blieb bei Ankündigungen. Trump wiederum nutzte die politische Leerstelle für ein eigenes Narrativ: Wenn schon die Industrie die Bürger schröpft, dann soll auch der Staat daran teilhaben. So zumindest der zynische Subtext seiner Zollpolitik.
Die neuen Importzölle sind also nicht in erster Linie ein Akt wirtschaftlicher Verteidigung gegenüber China oder Mexiko. Sie sind vielmehr ein Versuch, die Umverteilungsschraube enger zu drehen – diesmal im Sinne der Staatskasse. Die Industrie habe sich lange genug an der Bevölkerung bereichert, so die Logik. Nun sei es an der Regierung, ihren Anteil einzufordern.
Zölle: Wer zahlt wirklich?
Oft wird angenommen, Zölle träfen ausländische Produzenten. Das ist falsch – bezahlt werden sie vom Endverbraucher im Importland. Ein typisches Beispiel: Ein Reifen aus Mexiko kostet 100 Dollar. Der Käufer in den USA zahlt zusätzlich 25 Dollar Zoll – nicht der Produzent in Mexiko, sondern der amerikanische Konsument. Die mexikanische Firma (oft in Besitz amerikanischer Konzerne) erhält den vollen Preis, der US-Staat streicht die Zollgebühr ein, und der Käufer bleibt auf den Kosten sitzen.
Besonders betroffen ist dabei die Automobilbranche. Viele US- und auch deutsche Hersteller produzieren kostengünstig in Mexiko und importieren anschließend in die USA. Genau diese Praxis trifft Trump nun mit voller Wucht – unter dem Vorwand, “faire Produktion” und “amerikanische Arbeitsplätze” schützen zu wollen. In Wirklichkeit geht es um eine lukrative Einnahmequelle für den Staat.
Die nächste Runde der Preisspirale
Diese Logik hat ihren Preis. Denn selbstverständlich werden die Mehrkosten auf den Verbraucher abgewälzt. Trump selbst ließ bereits durchblicken, dass die Preise in den USA weiter steigen werden – ein Nebeneffekt, den man nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern einkalkuliert hat.
Das Spiel ist perfide, aber effektiv: Die Regierung kassiert Zölle, die Industrie erhöht die Preise, die Politik schiebt die Schuld auf die Wirtschaft – und der Bürger bleibt verwirrt zurück. Bis zur nächsten Wahl, wenn das Spiel mit einer neuen Rechtfertigung erneut beginnt.
Wer profitiert? Und wer schweigt?
Trump verkauft die Zölle als Maßnahme zur “Wiedererstarkung Amerikas”. Und tatsächlich: Für die US-Staatskasse sind sie ein profitables Instrument. Die eigentlichen Gegner? Nicht etwa die politischen Parteien. Die demokratische Führung schweigt weitgehend – zu bequem ist die zusätzliche Einnahmequelle, zu fern liegt der nächste Wahlkampf.
Stattdessen kommt die Kritik vor allem von Ökonomen und internationalen Beobachtern. Denn klar ist: Diese Maßnahmen haben nicht nur nationale, sondern globale Folgen.
Ein Bumerang für Deutschland
Besonders deutsche Unternehmen geraten unter Druck. Zahlreiche Konzerne – darunter Volkswagen, Bayer, Siemens, Bosch oder Henkel – produzieren in Mexiko für den US-Markt. Ab sofort zahlen sie 25 Prozent Zoll – ein harter Einschnitt, der die Margen schrumpfen lässt und mittelfristig auf den deutschen Steuerzahler zurückfallen könnte.
Denn viele dieser Konzerne werden massiv vom Staat unterstützt: Allein 2023 flossen rund 11 Milliarden Euro an deutschen Steuergeldern in deutsche Großunternehmen. Volkswagen erhielt 6,4 Milliarden davon. Ironischerweise könnte ein Teil dieses Geldes nun indirekt durch die US-Zölle wieder in der amerikanischen Staatskasse landen – ein ökonomischer Umweg, der den deutschen Bürger doppelt belastet.
Der verdeckte Konflikt mit Kanada und Europa
Auch Kanada steht seit Jahren im wirtschaftlichen Fadenkreuz der USA – unter anderem wegen der staatlich subventionierten Holzindustrie. Die Zölle gegen kanadische Produkte reihen sich nahtlos in diese Entwicklung ein. Für Washington ist jede Form staatlicher Einmischung in den Markt ein Affront – zumindest dann, wenn sie außerhalb der eigenen Landesgrenzen stattfindet.
Deutschland reiht sich aus US-Perspektive in diese Logik ein. Die großzügigen Staatshilfen für die Industrie machen es zur Zielscheibe wirtschaftlicher Maßnahmen – eine Entwicklung, die bislang wenig mediale Aufmerksamkeit erhält, aber hochbrisant ist.
China, Russland und die tektonischen Verschiebungen
Im Hintergrund brodelt eine geopolitische Neuordnung: China ist nach wie vor massiv abhängig vom US-Absatzmarkt – rund 15 Prozent aller Exporte gehen in die Vereinigten Staaten. Russland hat sich derweil durch alternative Partnerschaften wirtschaftlich neu orientiert. Der Ukrainekrieg hat sich für den Westen bislang als finanzieller Klotz am Bein erwiesen – für Russland dagegen nicht als existenzielle Bedrohung.
Die USA sehen sich wirtschaftlich und politisch zunehmend herausgefordert – von außen wie von innen. Und sie reagieren, wie sie es historisch immer getan haben: mit maximalem wirtschaftlichem Druck.
Ein Sündenbock, vier Jahre haltbar
Trumps Zölle dienen auch einem innenpolitischen Zweck: Sie stärken sein Image als “Durchgreifer”, der sich gegen Industrie und Ausland gleichermaßen behauptet. Die Regierung lässt ihn gewähren – nicht zuletzt, weil er sich als perfekter Blitzableiter eignet. Vier Jahre lang kann man sich über ihn empören – während man seine Politik faktisch mitträgt.
Gleichzeitig ist die Botschaft an die Wirtschaft unmissverständlich: Investitionen ins Ausland werden zunehmend zum Risiko. Wer in Mexiko oder Asien produziert, muss mit abrupten Eingriffen rechnen. Nur wer in den USA selbst investiert, bleibt auf der sicheren Seite – so das unausgesprochene Signal.
Undurchsichtige Begründungen: Der Vorwand Migration
Die offizielle Begründung für die neuen Zölle wirkt wie ein schlechter Witz: Sie sollen angeblich die illegale Migration und den Fentanyl-Schmuggel eindämmen. Als ob sich komplexe gesellschaftliche Probleme durch Handelszölle in drei Wochen lösen ließen. Der Vorwand ist so durchsichtig wie zynisch – und wird dennoch kaum hinterfragt.
Der Preis der US-Dominanz
Die neuen US-Zölle sind kein Zufall und kein populistischer Ausrutscher. Sie sind Ausdruck einer Strategie, die längst global spielt. Amerika will mehr: mehr Kontrolle, mehr Kapital, mehr Abhängigkeit vom eigenen Markt. Die Welt muss sich darauf einstellen, dass ökonomische Spielregeln künftig noch stärker von politischen Machtinteressen überlagert werden.
Wer heute nicht versteht, wie Handelskrieg funktioniert, wird morgen nur noch reagieren – statt gestalten zu können. Und genau das scheint die stille Hoffnung Washingtons zu sein.